Die Opfer: Drei von 513 Menschen

Etwa ein Drittel der Menschen, die in den damaligen Alsterdorfer Anstalten lebten, sind im Rahmen der nationalsozialistischen Euthanasie-Verbrechen aus Alsterdorf in Tötungsanstalten abtransportiert worden.

Es waren insgesamt 630 Kinder, Männer und Frauen. Etwa 80 von ihnen sind zurückgekommen und haben ihr weiteres Leben an den Folgen gelitten. Von 513 ist bekannt, dass sie in verschiedenen Einrichtungen umgebracht worden sind, durch Gift, Medikamente, Gas, Nahrungsmittelentzug oder Vernachlässigung. Die Angehörigen wurden darüber im Unklaren gelassen.

Alle diese Menschen sind der Ideologie vom »lebensunwerten Leben« zum Opfer gefallen. Lange ist ihr Schicksal unbeachtet geblieben.

Hedwig Kramper
1921 – 1942

Grauer Rahmen

Hedwig Kramper kam mit 3 Jahren in die Alsterdorfer Anstalten. Sie erhielt keine Förderung, Hedwig Kramper kam mit 3 Jahren in die Alsterdorfer Anstalten. Sie erhielt keine Förderung, kam nicht in die Schule. In der Akte hieß es abwertend: »Sie kann nicht sprechen, beschäftigt sich nicht, hat kein Interesse an ihrer Umgebung. Mit den Händen macht sie sinnlose Bewegungen. Sie erhielt die Diagnose »Idiotie«.

Anfang 1941 füllten die Ärzte einen Meldebogen der Euthanasie-Zentrale für sie aus und schickten ihn nach Berlin. Am 28. Juli 1941 wurde sie mit den »grauen Bussen« nach Langenhorn gebracht und im November von dort in die »Gau-Heilanstalt Tiegenhof « bei Gnesen transportiert.

Im Tiegenhof wurden Menschen durch systematisches Verhungernlassen, Verwahrlosung oder eine Überdosierung von Medikamenten getötet. Diese wurden gespritzt oder in der Nahrung aufgelöst. Das Anstaltspersonal sprach von der »gelben Suppe«. Als Todesursachen wurden »allgemeine Körperschwäche«, »fieberhafter Darmkatarrh« oder »allgemeine Erschöpfung« vermerkt.

Hedwig Kramper wurde am 18. Januar 1942 getötet. Sie wurde 20 Jahre alt.

Ein Stolperstein für Hedwig Kramper liegt in Hamburg-Nord, Schröderstraße 22.

Irmgard Harder
1933 – 1943

Foto von Irmgard Harder

Irmgard Harder kam mit 4 Jahren in die Alsterdorfer Anstalten. Die Ärzte beurteilten Irmgard als »sehr zurückgeblieben«. Sie war spastisch gelähmt und wurde als »schwächlich« beurteilt. Sie lernte etwas gehen und sprechen und sprach einzelne Worte, wurde dann aber mehrfach schwer krank. Schließlich beschrieben die Ärzte sie als »hilfloses Kind«.

Ende 1940 füllten die Ärzte einen Meldebogen der Euthanasie-Zentrale für sie aus, schickten ihn aber nicht nach Berlin. Am 16. August 1943 suchten sie Irmgard dann aber doch für den Abtransport in die »Heil- und Pflegeanstalt Steinhof« in Wien aus, wo sie in die »Kinderfachabteilung Im Spiegelgrund« kam.

Hier wurden behinderte Kinder medizinischen Beobachtungen und Versuchen unterzogen und mit Medikamenten getötet. Irmgard Harder überlebte nur kurz. Am 13. November 1943 wurde sie getötet. Als Todesursache wurde »Lungenentzündung« in die Akte eingetragen.

Ihr Gehirn wurde nach dem Tod entnommen und für Forschungszwecke noch bis weit nach Kriegsende aufbewahrt. Erst 1994 wurde öffentlich über die umfangreiche Sammlung von Gehirnen und Gehirnschnitten aus der NS-Zeit auf dem Gelände des Steinhofs berichtet. 1996 konnten diese sterblichen Überreste der Alsterdorfer Opfer, darunter auch die von Irmgard Harder, nach Hamburg überführt werden. Sie wurden auf dem Gräberfeld der Geschwister-Scholl-Stiftung auf dem Ohlsdorfer Friedhof ehrenvoll bestattet.

Paul Hoh
1917 – 1944

Foto von Paul Hoh

Paul Hoh besuchte einige Jahre eine Hilfsschule in Hamburg-Eimsbüttel. Er habe etwas schreiben und lesen gekonnt, erzählen heute seine Nichten. Er habe das Grammophon geliebt und gerne Schlager gesungen.

Mit 13 Jahren kam er in die Alsterdorfer Anstalten. Die Diagnose der Ärzte lautete: »Schwachsinn«. Paul sei »fröhlich und vergnügt« hieß es anfangs in der Akte. Doch langsam änderte sich das Urteil der Ärzte. Zuletzt hieß es, er sei »faul« und »zu keiner Arbeit zu gebrauchen«.

Ende 1941 füllten die Ärzte einen Meldebogen der Euthanasie-Zentrale für ihn aus und schickten ihn nach Berlin. Paul wurde zunächst verschont, wurde dann aber im August 1943 für einen Abtransport ausgesucht. Zusammen mit 112 anderen Jungen und Männern kam er in die »Heil- und Pflegeanstalt Mainkofen« bei Passau.

In Mainkofen galt der »Hungererlass « der bayrischen Staatsregierung von 1942. Deshalb wurden dort Menschen mit Behinderungen mit systematische Hungerkost, meist Wassersuppe mit etwas Gemüse, planmäßig getötet.

In einem der »Hungerhäuser« ist Paul Hoh am 8. Oktober 1944 im Alter von 27 Jahren gestorben. In der Akte wurde »Lungentuberkulose « als Todesursache eingetragen.

Ein Stolperstein für Paul Hoh liegt in Hamburg-Eimsbüttel, Quickbornstraße 21